Blasendruckmessung: Zystomanometrie, Zystometrie, Zystotonometrie. Wichtige (schmerzfreie) technisch gestützte Untersuchung von Harnblasenfunktionen. Bedeutung: Die regelmäßige (über die Häufigkeit der B.: s.u.) B. ist - neben dem Kernspintomogramm - eine wichtige Grundlage zur Beurteilung des Lähmungstyps der Harnblase (Harnblasenlähmung) und damit zur Festlegung der gesamten urologischen Versorgung, nämlich: a) der Definition des Risikos, das von der Harnblase für die oberen Harnwege (Harnleiter, Nieren) ausgeht, b) zur Festlegung der Häufigkeit und Art von urologischen Kontrolluntersuchungen, c) zur Festlegung der Art von Entleerungstechniken (Harnblase, Entleerungstechniken), d) zur Festlegung und Überprüfung der Wirksamkeit einer medikamentösen Behandlung z.B. mit Anticholinergica oder Antimuscarinica

Blasendruckmessung, orientierende: Form der Blasendruckmessung, bei der mit einfachen technischen Mitteln wichtige Kennzeichen einer Blasenlähmung schmerzfrei und (bei korrekter Ausführung) ohne Nebenwirkungen ermittelt werden können (vgl. Anhang, s.u.). Ausführung: Der Urin muss steril sein, zumindest darf ein Urin-Teststreifen keinen Hinweis auf eine Infektion zeigen (vgl. Urinuntersuchung mit Teststreifen). Um die Untersuchungsergebnisse nicht zu verfälschen, muss vor der Messung der Restharn entleert und gemessen werden. Die Untersuchung erfolgt unter sterilen Bedingungen (weitere Hinweise: Anhang). Bei der o.B. werden bestimmt: a) das Füllungsvermögen der Harnblase, die Blasenkapazität (Angaben zur altersentsprechenden Harnblasengröße Harnblase: Größe), b) die Dehnbarkeit (Compliance) der Harnblase, c) Zeitpunkt und Ausmaß von spontanen Muskelaktivitäten der Harnblase bei zunehmender Füllung. Spontane Aktivitäten des Blasenhohlmuskels treten normalerweise erst bei altersentsprechend gefüllter Harnblase auf. Sind sie bereits bei geringer Füllung nachzuweisen, sind sie ein Hinweis auf eine abnorme (behandlungsbedürftige) Übererregbarkeit der Harnblase. Klinische Hinweise auf eine übererregbare Harnblase sind neurologische Veränderungen im Bereich der Beine: Zunahme von Gelenkfehlstellungen, Morgensteifigkeit, Änderung der Beinre­flexe, Veränderung von Harnblasenfunktionen: Verlängerung oder Verkürzung der Trockenphasen, Zunahme von Infektionen, Zunahme des Afterverschlusses (durch erhöhte Grundspannung des äußeren Afterschließmuskels). d) der  Druck, bei dem es zum Verlust von Urin kommt (sog. Überlaufdruck, leak-point-pressure). Normalwerte des Überlaufdruckes: Frauen 30 - 35 cm H2O (Wassersäule), Männer 30 - 40 cm H2O (Wassersäule). e) Während der Füllung der Harnblase wird sonographisch überprüft, ob es zu einer abnormen Aufweitung der Harnleiter und der Nierenbecken kommt, ob also eine Harntransportstörung besteht. Vor der B. erhält der Patient ein antibiotisch wirkendes Medikament (z.B. ein Cephalosporin), das bis zu zwei Tage nach der Untersuchung gegeben wird.

Orientierende Blasendruckmessung

Blasendruckmessung, videouro­dynami­sche: Die videourodynamische Untersuchung ist eine wichtige, wenn auch technisch aufwändigere und genauere Form der Blasendruckmessung und wesentlicher Bestandteil der urologischen Basisdiagnostik. Die Durchführung der Untersuchung bei Säuglingen und Kindern mit Spina bifida ist auf dem „großen urodynamischen Messplatz“ spezialisierten Zentren vorbehalten [139]. Ausführung: Zur Untersuchung muss der Urin steril sein, zumindest darf ein Urin-Teststreifen keinen Hin­weis auf eine Infektion zeigen (vgl. Urinuntersuchung mit Teststreifen). Vor der B. erhält der Patient ein antibiotisch wirkendes Medikament (z.B. ein Cephalosporin), das bis zu zwei Tage nach der Untersuchung gegeben wird. Nach ausführlicher Aufklärung der Eltern und, wenn möglich, des Kindes / Jugendlichen / Erwachsenen,  erfolgt die Untersuchung in standardisierter Technik (in einer kindgerechten und entspannten Atmosphäre) über a) einen doppellumigen Messkatheter (CH 6), der durch die Harnröhre (transurethral) oder durch die Bauchdecke (suprapubisch) eingelegt wurde, b) einen in den Mastdarm eingelegten Druckmesser, der den Druck im Bauchraum aufnimmt, und c) Oberflächen-Klebeelektroden zur Ableitung der muskulären Aktivität des Beckenbodens (Beckenboden-EMG).

Dokumentiert werden:
  • die funktionelle Blasenkapazität in ml unter Berücksichtigung des intravesikalen Druckes
  • die Compliance in ml/cm H2O
  • die Blasenkapazität zum Beginn der Überaktivität des Detrusors
  • der maximale intravesikale Druck (ange- geben in cm H2O)
  • der Überlaufdruck (LPP) (angegeben in cm H2O)
  • das Beckenboden-EMG ggf. die Uroflowmetrie
  • der radiologische Befund (Form und Dicke der Blasenwand, Reflux, Blasenhalsöffnung, Form und Verlauf de Harnröhre).

In Durchleuchtungstechnik über ein digitales Bildwandlersystem mit minimaler Strahlenbelastung (Gonadenbelastung bei Mädchen 0,25 mS*, bei Knaben < 0,26 mS*) erfolgt die Füllung der Harnblase mit einem 30° - 37° warmen Gemisch aus physiologischer Kochsalzlösung (0,9 %) und einem Kontrastmittel (2:1) mit einer Füllungsgeschwin-digkeit (je nach Alter) zwischen 5 und 30 ml/min was 5-10% einer zu erwartenden Blasenkapazität entsprechen sollte) (S). Erfolgt die Untersuchung im Sitzen, so wird auch wenn möglich - der Harnstrahl dokumentiert (Uroflow­metrie). Messergebnisse und Bewertung: Gemessen werden a) Form der Blase und Harnröhre in der Füllungs- und Entleerungsphase; hierbei wird ggf. ein vesikorenaler Reflux dargestellt und dokumentiert, was das konventionelle Mik­t­i­ons­zystourethrogramm (MCU) ersetzt. Bei Kindern > 5 Jahren wird das Auftreten von messbaren spontan auftretenden Muskelaktivitäten (autonomen Detrusorkontraktionen) als krankhafte Überaktivität des Blasenmuskels gewertet. Die Messung wird mindestens 1-2-mal wiederholt, um Messfehlern vorzubeugen und möglichst objektive urodynamische Befunde zu erhalten. Der Carbacholtest und der Eiswassertest erbringen bei Kindern mit neurogener Blasenstörung bei MMC keine zusätzlichen Erkenntnisse. Die Messung des Druckes der Harnröhre (Ure­thra­druckprofil) erlaubt bei älteren Kindern, bei denen ein operativer Eingriff geplant ist, die Beurteilung der Funktion des Harnblasenverschlusses (Sphink­terkompetenz). Die Durchführung erfolgt mittels eines Mikrotipkatheters analog zu den Erwachsenen bei ca. 50 % der  maximalen Blasenkapazität. Normwerte gibt es bei Kindern bisher nicht.

*mS: ein Tausendstel (1/1000) Sievert

Empfohlene Häufigkeit von Blasendruckmessungen

VB*: im Alter von 6 -12 Wochen nach der Geburt, d.h. nach Abklingen der Wundheilung durch die operative Erstversorgung; auch wenn eine videogestützte urodynamische Untersuchung  (aus unterschiedlichen Gründen) nicht möglich sein sollte, besteht den noch die Option auf eine möglichst frühe - auch orientierende - Untersuchung, um die neurologische Beeinträchtigung der Harnblase einschätzen zu können, bevor Schäden an den Harnwegen auftreten.

VB:   mit 6 Monaten

VB:   mit 12 Monaten

OB*: alle 6 Monate bis zum Ende des 6. Lebensjahres

VB:   ab dem 7. Lebensjahr im Jahresabstand

OB:   mit Beginn der Pubertät

OB:   nach Abschluss des pubertären Wachstums

Zusätzliche Blasendruckmessungen sind angezeigt

- bei neurologischen Veränderungen in den Beinen (d.h. bei Hinweisen auf eine spinale Hypertonie

- während des pubertären Wachstumsschubes

- zur Überprüfung der Wirkung von Medikamenten, die die Harnblase entspannen  (Oxybutynin, Propiverin) oder den Verschluss der Harnblase verändern (Phenoxybenzamin)

- vor und nach operativen Eingriffen am Rückenmark (Myelolyse, Myelotomie, Zystektomie usw.)

- vor und nach Wirbelsäulen-Operationen (z.B. Spondylodesen)

- bei Änderungen der Art der Urinentleerung (unerklärte spontane Verlängerungen oder Verkürzungen der Urinkontinenz).

* VB: videourodynamische Blasendruckmessung                               * OB: orientierende Blasendruckmessung
   
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