Suchen  

   

Autoren  

   

Anwendungsformen

Oxybutynin liegt vor

  1. a) als Tablette: Handelsname: z.B. Oxymedin ® (Tabletten zu 2,5 und 5 mg), Dridase ® (Tabletten zu 5 mg).
  1. b) als Reinsubstanz (Oxybutynin-Hydrochlorid) zur Auflösung in Kochsalzlösung zur (besonders zu begründenden) Anwendung in der Harnblase (vg Oxybutynin-Anwendung in der Harnblase).

 

Wirkung

Die Wirkung des Medikamentes besteht in einer Erweiterung der Harnblase durch Entspannen des Blasenhohlmuskels. Hierdurch vergrößert sich die Speicherkapazität der Harnblase, d.h. die Harnblase kann eine größere Urinmenge aufnehmen. Ziel der Anwendung des Medikamentes ist es, eine dem Alter entsprechende Größe der Harnblase zu erreichen und den Blasenhohlmuskel zu entspannen (was durch eine Blasendruckmessung nachgewiesen werden kann). Die Anwendung des Medikamentes kann mit Vorteilen und Nachteilen verbunden sein, die im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen.

 

Gründe für die Anwendung

Entspannung des Blasenmuskels

Die Grundspannung (Tonus) des Blasenhohlmuskels (Musculus detrusor vesicae) kann durch eine ungesteuerte krankhafte neurologische Eigenaktivität gesteigert sein (hypertone Funktionsstörung). Hierdurch kommt es (u.a.) allmählich zu einer Verdickung der Harnblasenwand (= neuropathischer Umbau). Durch den Umbau der Harnblase verdickt sich die Muskulatur strangförmig. So entstehen die verschiedenen Formen der „Balkenblase". Ist gleichzeitig die Funktion der Muskeln krankhaft erhöht, die die Harnblase verschließen (Musculus sphincter internus und Musculus sphincter

externus), entsteht zusätzlich in der Harnblase ein unphysiologisch hoher Druck. Hierdurch beschleunigt sich der Umbau der Harnblase in eine Balkenblase. Der Urin kann nicht mehr physiologisch abfließen: es entsteht eine sog. Harntransportstörung. Der hohe Druck begünstigt außerdem die Entstehung eines Rückflusses von Urin aus der Harnblase in die Harnleiter und Nieren (Reflux).

Oxybutynin entspannt die Harnblase und vermindert hierdurch die ungesteuerte neurologische Aktivität und damit das Risiko der Entstehung der krankhaften Folgezustände.

Positive Beeinflussung einer bestehenden / drohenden Harntransportstörung

Die Entspannung des Blasenhohlmuskels ist besonders wichtig, wenn ein Rückfluss (Reflux) entstanden ist oder droht. Durch die medikamentöse Erweiterung kann die Harnblase mehr Urin aufnehmen und so die Entstehung oder die weitere Zunahme des Refluxes verhindern und die Rückbildung von durch einen Reflux entstandenen anatomischen Veränderungen ermöglichen.

Verlängerung der Trockenphasen

Durch die Verminderung des Druckes und hierdurch mögliche größere Speicherkapazität der Harnblase verbessert sich die Kontinenz. Es können längere Trockenphasen erreicht werden. Die Vorteile dieser mehr „sozialen" Indikation müssen gegen die Nachteile, die sich durch Nebenwirkungen (s.u.) ergeben, sorgfältig abgewogen werden.

 

Nebenwirkungen

Häufigere Harnwegsinfektionen

Durch die Vergrößerung der Harnblase können größere Mengen von Resturin in der Harnblase bleiben, wodurch leichter (aber keineswegs immer) Harnwegsinfektionen entstehen können. Deshalb sollten häufigere (z.B. wöchentlich zweimalige) Urinuntersuchungen (vgl. Anleitungen zur Urinuntersuchung) erfolgen und die Harnblase regelmäßig durch Katheter entleert werden (vgl. Anleitungen zur Katheterentleerung).

Medikamentöse Nebenwirkungen (NW)

Nebenwirkungen (NW) durch das Medikament selbst treten vor allem am Anfang der Therapie sowie bei zu schneller Steigerung der Dosis auf. Die NW werden subjektiv unterschiedlich als Störung empfunden und verlieren sich meist innerhalb einer Woche nach Beginn der Behandlung. Bei dauernd bestehenden erheblichen Nebenwirkungen muss die Dosis vermindert, das Medikament abgesetzt, eine andere Anwendungsform (vgl. Anleitung: Anwendung von Oxybutynin in der Harnblase), ein ähnliches Medikament (z.B. Propiverin) oder Botulinumtoxin verwendet werden.

Unmittelbar nach der Einnahme des Medikamentes können auftreten: Mundtrockenheit, Hitzegefühl, Reizbarkeit / Verstimmungen / Benommenheit: Diese Art der Nebenwirkung wurde bei erheblicher Überdosierung und zu schneller Steigerung der Medikamentendosierung beobachtet. Die Symptome erinnern an (die psychischen) Zeichen von Hirnüberdruck.

Flüchtige Hautrötungen, trockene Haut: Vor allem bei trockenen Hauttypen kann die Haut spröde, schuppig und rissig werden, es kann ein verstärkter Juckreiz auftreten, was durch eine Rückfettung der Haut verbessert/vermieden werden kann.

Sehstörungen: Durch eine (meist vorübergehende) Hemmung der Pupillenverengung fühlen sich die Patienten vor allem in der Dämmerung, in nicht optimal ausgeleuchteten Einrichtungen (z.B. Schule) und beim in die Ferne Sehen „geblendet" oder haben Schwierigkeiten beim Erkennen kleiner Gegenstände oder Buchstaben.

Verstärkung einer Obstipation: Das Medikament kann selten – in unterschiedlichem und meist geringerem Ausmaß –  auch die Beweglichkeit der Darmmuskulatur beeinflussen. Hierdurch kann es zur Verlangsamung des Stuhltransportes und hierdurch zur Zunahme einer bestehenden Obstipation kommen. Sinnvoll ist eine vorübergehende Verstärkung diätetischer Maßnahmen oder die Gabe von Lactulose zur Verdünnung des Stuhles.

Maßnahme: Es kann notwendig sein, das Medikament vorübergehend abzusetzen. Bei Neubeginn der Therapie muss die Dosis langsamer („einschleichend“) gesteigert werden.

Störungen der Konzentration und des Antriebs: Es wird vermutet, dass die unphysiologische Anreicherung des Medikamentes (u.a.) im Gehirn (Mit-?) Ursache von Störungen der Konzentration und des Antriebs sein kann. Ggf. ist die Verwendung anderer blasenentspannender Medikamente (z.B. Propiverin, Solifenacin, Darifenacin, Trospiumchlorid) zu überlegen, sofern sie für das jeweilige Alter zugelassen sind.

 

Anwendung

Das Medikament ist bei Kindern unter 5 Jahren nicht zur Anwendung zugelassen. Die Anwendung ist jedoch möglich, aber ggf. medizinisch zu begründen, z.B. bei Nachweis einer Hochrisikoblase, Gefährdung der oberen Harnwege, fehlender therapeutischer Alternative. Die Verwendung von Propiverin (Mictonetten ®) ist zeitlich nicht begrenzt und deshalb ggf. in dieser Altersstufe anzuwenden.

Stets ist eine individuelle ärztliche Verordnung der Anwendung erforderlich. Diese muss umfassen: Häufigkeit der Anwendung, Höhe der Einzeldosis, Information über Wirkungen und Nebenwirkungen. Die Einstellung auf das Medikament erfolgt grundsätzlich unter urodynamischer Kontrolle.

Bei ungenügender Wirkung oder andauernden Nebenwirkungen kann das Medikament (ggf. zusätzlich) in der Harnblase – als Instillation – angewendet werden (vgl. Anleitung: Oxybutynin- Anwendung in der Harnblase) oder die Blase kann durch das Einspritzen von Botulinumtoxin entspannt werden.

Dosierung

Säuglingsalter - 5 Jahre

Dosierung: Tagesdosis: 0,2 - 0,4 mg/kg Körpergewicht (KG), verabreicht in (2-)3 Dosen. Einzeldosis: 0,1 - 0,2 mg/kg KG.

Vgl. auch gesonderte Anleitung: Oxybutyninanwendung bei Säuglingen und Kleinkindern.

Kindesalter > 5 Jahre

Anfangs 2x 2,5 mg, steigern bis auf 2x 5 mg, ggf. auch höher bis maximal 3 x. Die Dosis kann bis zum Erreichen der Dosis, die noch ohne Nebenwirkungen vertragen wird, gesteigert werden.

Die Höhe der endgültigen Dosierung muss bei jedem Patienten individuell nach den auftretenden Wirkungen (Blasenentspannung, dokumentiert durch eine Blasendruckmessung) und den Nebenwirkungen ermittelt werden. Zur Verminderung der Nebenwirkungen empfiehlt sich eine langsame Dosissteigerung auf 5 mg.

Erwachsene

Die mittlere Dosis für Erwachsene beträgt 3x 2,5 - 5 mg, die Tages-Maximaldosis 4x 5 mg/Tag.

Einnahme einer Überdosis (Vergiftung)

Die therapeutische Breite (das ist die Dosis zwischen optimaler Wirkung eines Medikamentes und dem Auftreten von Nebenwirkungen) ist bei Oxybutynin relativ groß. Die versehentliche Anwendung / Einnahme einer erheblich zu hohen Dosis kann jedoch zu schweren Vergiftungserscheinungen führen. Wenden Sie sich umgehend an Ihren Arzt und/oder an die nächste „Vergiftungszentrale".

 

Literatur

1. Madersbacher, H.: Applikationsformen von Pharmaka zur Detrusorrelaxation - die intravesikale Instillation von Oxybutynin, in: Madersbacher, H.; Palmtag, H.: Detrusorrelaxation, Grundlagen und klinische Aspekte, S. 45 ff; PVV-Verlag Preuß 1991.

2. Dik, P.; Klijn, A.J.; van Gool, J.D.; de Jong-de Vos van Steenwijk, C.C.; de Jong, T.P.: Early start to therapy preserves kidney function in spina bifida patien Eur Urol. 2006 May; 49 (5): 908-13.

3. Stein, R.; Schröder, A.; Beetz, R.; Ermert, A.; Filipas, D.; Fisch, ; Goepel, M.; Körner, I.; Schönberger, B.; Sparwasser, C.; Stöhrer, M.; Thüroff, J.W. (Urologe 2007): Diagnostik und Management urologischer Erkrankungen bei Patienten mit Meningomyelozele – Eine Konsensusempfehlung des AK Kinderurologie in Zusammenarbeit mit dem AK Funktionsdiagnostik und Urologie der Frau der Akademie der Deutschen Urologen und der Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Nephrologie.

4. Burgdörfer, H.; Heidler, H.; Madersbacher, H.; Kutzenberger, J.; Palmtag, H; Pannek, J.; Sauerwein, D.; Stöhrer, M. (2007): Manual Neurourologie und Querschnittlähmung – Leitlinien zur urologischen Betreuung Querschnittgelähmter. 4. Überarbeitete Auflage 2007.

5. Haferkamp, A.; Staehler, G.; Gerner, H.J.; Dörsam, (Spinal Cord 2000): Dosage escalation of oxybutynin in the treatment of neurogenic bladder patients.

 

Letzte Bearbeitung: 24.04.2014

   
© ALLROUNDER