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Störung der Harnblasenfunktion

Die physiologischen Funktionen der Speicherung und Entleerung der Harnblase können in

unterschiedlicher Art und Ausprägung beeinträchtigt sein.

 

Lähmungstypen

Folgende Hauptformen von Lähmungstypen* werden unterschieden:

 

 

Aktivität der

Harnblase

Aktivität der

Schließmuskel

Risiko für die Nieren

Auswirkungen auf die

Kontinenz

Typ 1

+++

+++

sehr hoch

ungünstig

Typ 2

+++

---

mäßig

ungünstig

Typ 3

---

+++

mäßig

Günstig

Typ 4

---

---

gering

ungünstig

 

* Erläuterungen zum Lähmungstyp

Die Blasendruckmessung gibt Hinweise auf die Höhe der Grundspannung der Blasenmuskeln. Sie kann sein:

- zu hoch (+++) = hyperton,

- normal (N), was nur sehr selten der Fall ist, oder

- zu niedrig (---) = hypoton.

Neben diesen Hauptformen können weitere Zwischenformen unterschieden werden.

 

Ursache der Beeinträchtigung der Blasenfunktion sind Störungen der Nerven und der Nervenzentren, die sowohl den Blasenhohlmuskel (die eigentliche Harnblase) als auch die beiden Muskeln, die die Harnblase verschließen (einen inneren und einen äußeren Schließmuskel), neurologisch versorgen. Wichtig ist es, die Form der neurologischen Störung frühzeitig, d.h. innerhalb der ersten Lebensmonate, durch eine regelmäßige Ultraschallkontrolle (vgl. Anleitung:

Untersuchungsmethoden) und Blasendruckmessungen (vgl. Diagnostik. Anleitung: Blasendruckmessung) zu erkennen und – je nach Lähmungstyp – gezielt zu behandeln (s.u. Überwachung).

 

Wie zeigt sich eine Störung der Harnblasenfunktion?

Krankhafte Veränderungen an den Harnwegen (Harnblase, Harnleiter, Nieren) können sich fast unbemerkt entwickeln. Deshalb gehört eine regelmäßige spezielle urologische Überwachung zur Grundversorgung von Spina-bifida-Patienten.

Harnwegsinfektionen

Wenn sich die Harnblase nicht ausreichend entleeren kann, können in dem verbleibenden Rest-Urin Bakterien einwandern, d.h. es kann zu einer Blasenentzündung kommen. Diese ist nur teilweise (aber keineswegs immer) am auffälligen Uringeruch, an einer Trübung des Urins zu erkennen. Wesentlich sicherer ist die Urinuntersuchung mit Teststäbchen (vgl. Anleitung: Urinuntersuchung mit Teststreifen). Weil Verunreinigungen Harnwegsinfektionen vortäuschen können, muss der Urin keimfrei gewonnen werden (vgl. die Anleitungen: Gewinnen von keimfreiem Urin bei Mädchen/Frauen und Jungen/Männern. Wichtig ist es, auch die anderen Ursachen einer Harnwegsinfektion zu kennen und auszuschließen (vgl. hierzu die Anleitung: Vorgehen bei auffälligem Urinbefund). Zwei wichtige Formen von Harnwegsinfektionen sind zu unterscheiden: Eine Harnwegsinfektion ohne weitere Symptome (vgl. Anleitung: Harnwegsinfektion: Symptomfreie Bakterienausscheidung) und Infektionen, die mit Fieber, Schmerzen und anderen Symptomen verbunden sind (vgl. Anleitung: Fieberhafte Harnwegsinfektion). Fieberhafte Infektionen erfordern umgehend eine ärztliche Stellungnahme und eine sofortige Behandlung.

Verkleinerung der Harnblase

Durch eine Überaktivität der Harnblase (vgl. Tabelle: Lähmungstyp 1 und 2) kann sich eine ursprünglich normal große Harnblase verkleinern und schrumpfen. Diagnose: Die krankhafte Aktivität des Blasenmuskels lässt sich durch eine Blasendruckmessung (vgl. Anleitung: Orientierende Blasendruckmessung sowie Untersuchungsmethoden) genauer beschreiben. Hiernach ist auch eine gezielte medikamentöse Behandlung möglich, mit der die Aktivität der Harnblase gedämpft wird (vgl. Anleitungen zur Anwendung von Oxybutynin).

Abflussbehinderung des Urins

Der Verschluss der Harnblase kann derart krankhaft erhöht sein (vgl. Tabelle: Lähmungstyp 1 und 3), dass es zu einer Stauung in die Harnleiter und die Nieren kommt. Unbehandelt entsteht eine Nierenschädigung durch Druck und Infektion.

Diagnose

Die Formen der Lähmung müssen und können durch eine Blasendruckmessung (vgl. Anleitung: Untersuchungsmethoden sowie Orientierende Blasendruckmessung) möglichst frühzeitig erkannt und dann auch durch druckentlastende Maßnahmen (vgl. hierzu: Anleitungen zur Katheterentleerung) behandelt werden.

 

Verlaufskontrollen

Nach den Leitlinien „Diagnostik und Therapie der neurogenen Blasenfunktionsstörungen bei

Patienten mit Meningomyelozele“ empfohlene Zeitpunkte von Routineuntersuchungen bei unkompliziertem klinischem Verlauf.

Bei unkompliziertem klinischem Verlauf und Inkontinenz ohne Restharnbildung in Folge eines unteraktiven Sphinkters kann die Anzahl der Kontrollen individuell modifiziert werden. Dies trifft insbesondere bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr bis zum Beginn der Pubertät zu, da es hier selten zu wesentlichen Veränderungen des Harntraktes kommt, die eine Eskalation der Therapie implizieren (eine gute Zusammenarbeit mit dem Patienten vorausgesetzt). Kommt es jedoch zu den im Folgenden aufgeführten Veränderungen, müssen wieder engmaschigere Kontrollen angestrebt werden.

Eine intensivierte Verlaufsdiagnostik ist bei erhöhtem Risiko für die Nierenfunktion sinnvoll, insbesondere in folgenden Situationen:

- rezidivierende, symptomatische (und/oder fieberhafte) Harnwegsinfektionen

- Nachweis eines vesikorenalen Refluxes

- gleichzeitig bestehende (assoziierte) Harnwegsfehlbildungen (z.B. ureteropelvine Stenose, Einzelniere)

- zunehmende Verringerung der Dehnbarkeit der Harnblase (Low-Compliance-Blase). Bei Kindern gibt es keine Normwerte, weshalb die Compliance im zeitlichen Verlauf betrachtet werden muss.

- Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (Detrusor-Überlaufdruck (LPP) > 40 cm H2O)

- ausgeprägte Detrusor-Überaktivität (Kontraktionen > 40 cm H2O bei geringer Füllung)

- Rückenmarksveränderungen: Tethered cord, Syringo(hydro)myelien, Rückenmarkszysten u.a. sowie nach deren operativer Versorgung

- weiterhin ist eine urodynamische Diagnostik vor medikamentösen Maßnahmen (z.B. anticholinerger Therapie, sympathikolytischer Therapie, o.a.) bzw. vor Planung operativer Interventionen am Harntrakt unerlässlich

- ebenso vor und im Anschluss an die operative Lösung eines tethered cord, da es hierdurch zu deutlichen Veränderungen im Typ und Ausprägungsgrad der neurogenen Blasenstörung kommen kann.

Änderungen der Verlaufskontrollen

und der Untersuchungsabstände sind erforderlich in Abhängigkeit von:

-  der Zusammenarbeit und Therapie-Zuverlässigkeit des Patienten bzw. der Eltern / Pflegepersonen

-  psychosozialen Umfeldbedingungen

-  gleichzeitig bestehenden Veränderungen des Gehirns und Rückenmarkes

-  Veränderungen nach Operationen des Gehirns und Rückenmarkes

-  der Umstellung der bisherigen Therapie

-  Veränderungen der urologischen Symptomatik (z.B. rezidivierende Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis)

-  Veränderungen von Miktionsmuster / Harninkontinenz

-  erheblichen Veränderungen peripher-neurologischer Befunde (z.B. Zunahme einer muskulären Hypertonie).

 

Urologische Überwachung/Vorsorge - Übersicht

 

 

Neu- geborene

6-12

Wochen

6

Monate

9 Monate

12

Monate

6-monatl. bis Ein- schulung

jährlich

Urol. Anamnese

 

 

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Urinstatus

 

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Sonographie (Nieren, Blase, Restharn)

 

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(X)

 

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Labor (Kreatinin, Cystatin C, GFR)

 

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X

 

 

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Orientierende Zystomano- metrie*

 

 

X

 

X

 

 

X

 

 

X

Videourodyna- mik incl. MCU*

 

 

X

 

 

 

(X*)

 

 

(X*)

Blutdruck

 

 

 

 

X

 

 

X

 

X

Szintigramm (MAG III/DMSA)

 

Optional bei V.a. Harntransportstörung und Nierenparenchymschädigung

 

* Eine Zystomanometrie und ein MCU (separat oder als videourodynamische Untersuchung durchgeführt) sollte als Basisdiagnostik innerhalb des ersten Lebensjahres -vorzugsweise in den ersten drei Lebensmonaten - angestrebt werden. Eine orientierende Zystomanometrie kann zur Verlaufskontrolle dienen.

 

Letzte Bearbeitung: 25.01.2013

   
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